Eigentlich immer, wenn wir unser Segelflugzeug an den Haken nehmen und an einen anderen Ort fahren oder auch zu Hause bleiben, um länger als nur das Wochenende zu fliegen, sprechen wir Segelflieger von einem Flieger-Urlaub. Klassisch gibt es dafür im Prinzip 3 Arten. Den Wettbewerb, das Urlaubsdomizil mit Flugbetrieb und mit vielen Mitgliedern des Vereins und den Wandersegelflug. In den letzten 2 Wochen haben Jonas, Pümpel und ich eine weitere Fliegerurlaubsform für uns entdeckt.
Selbstbestimmter Urlaub mit Anhänger
Im Prinzip wäre eine solche Urlaubsform noch im letzten Jahr gänzlich undenkbar für mich gewesen. Birgt es doch das Problem, sich nicht auf so vortreffliche Art und Weise mit anderen Segelfliegern auf einer wunderbar fremdbestimmten Meisterschaft, die fliegerischen Fortpflanzungsorgane gegenseitig zu vermessen. Man verpasst die wunderbare Frustration, im Regen auf- und wieder abzubauen, den nervlichen Overkill, wenn man als einer der wenigen aussenlandet oder vielleicht sogar einmal die Müritz bereist, während der Rest des Feldes an der Elbe schon Kurs Heimat einschlägt. Ebenfalls entschieden wir uns gegen den durch Dienstplan strukturierten Lagerkollaps an Tag 4/5 und am Tag oder Abend vor der Abreise, gepaart mit anstandshalber gewahrter Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft trotz konträrem Gemütszustand.
Heute sitze ich das erste Mal, nach 15 Jahren Segelfliegen, nach einem sogenannten Fliegerurlaub am Schreibtisch und bin völlig entspannt, ausgeglichen und glücklich über einen wunderbaren Urlaub.
Freiheitliebe vs. Wettbewerbs-/Lagerleitung
Interessanterweise sind Segelflieger freiheitsliebende Menschen. In der Regel möchten wir doch die Freiheit und Schönheit der Welt genießen und sie bereisen, wo es uns diese nervigen Lufträume nicht verbieten. Wir probieren Dinge aus, sind selbstkritisch und optimieren. Aber im Kern glaube ich, sind es 2 Dinge, -der eine mehr, der andere weniger-, die wir besonders lieben. Wir sind soziale Wesen, also sind es Gruppenerlebnisse und das abendliche, gemeinsame Sitzen bei einer kühlen Hopfenkaltschorle, die uns antreiben. Und der zweite Aspekt ist die Selbstbestimmtheit. Das Allermeiste in unserem Alltag ist fremdbestimmt: Der Wecker, die Kleidung, der EMailaccount, der Terminkalender, Kindergarten, Schule, Hochschule etc. etc. Anscheinend funktioniert eine so hochkomplexe und zumindest im Sinne der Hektik hochentwickelte Gesellschaft nur, wenn unendlich viele Dinge vereinheitlicht und synchronisiert werden, mit dem Resultat einer extrem hohen Fremdbestimmtheit eines jeden Einzelnen. So ist es doch vielen von uns – oder zumindest glaube ich das – ein Bedürfnis, diese Freiheit in unserem Sport auszuüben.
Aber vielleicht ist das auch eine relativ isolierte Ansicht von Jonas, Pümpel und mir. In jedem Fall haben wir – halb wissend, halb aus Versehen – einen Urlaub mit einem absoluten Minimum an Fremdbestimmung und einem fantastischen Gruppenerlebniss erlebt.
Und jetzt habe ich die Erwartungen so hoch gehängt, dass mein kleiner Urlaubsbericht enttäuschen muss. Na mal sehen 😉
Die erste Nacht im Anhänger
Anstatt einer umfassenden Vorbereitung, haben wir uns auf ein kleines Abenteuer eingelassen. Wir haben im Prinzip nur auf 3 Dinge geachtet. 1. Fahrräder aufs Dach, 2. Flugzeuge mit möglichst allem Plunder anhängen und 3. den D-Kader Modellhubschrauber einpacken. Alles andere haben wir dreist auf uns zukommen lassen. So war bei Abfahrt die Schlaf-Frage nicht geklärt, so what… Haben wir halt die erste Nacht spontan im Anhänger auf den hervorragenden Clouddancer Allwetterbezügen gepennt. Nicht auszudenken, wenn am Folgetag der erste Wertungstag eines Wettbewerbs gewesen wäre. Der Urlaub wäre eine unsegliche Qual geworden, wäre doch der erste Wertungstag sicherlich halbausgeschlafen in die Hose gegangen. So haben wir nach einem tiefen Schluck Sambucca hervorragend in der Kaltluft genächtigt und leicht verwirrt und frierend, aber absolut glücklich am nächsten Morgen die ersten Cu bei der Bildung auf dem Fläming um 7:40 Uhr erwischt.
Landung um Vier zum B…
Die ersten Tage hatten wir wunderbare Flüge, haben die wunderbare Stadt Köthen mit gewohnter Blödheit pro Flug ca. 57 Mal falsch ausgesprochen und uns mit steigender Begeisterung darüber gefreut und uns halb zu Tode geblödelt mit Ventusch und Diskusch. Die anderen Beiden haben sich darüber totgelacht, wie ich mich mit meiner kleinen Biene Maja (Discus b BM) rumgeschlagen habe. Speziell der optische Eindruck und meine völlige Unfähigkeit, präzise Angaben über vertikale Luftmassenbewegungen zu machen, waren Quellen der Freude (heimlich für alle ;-). In diesem Fall paarte sich meine Unfähigkeit mit einem katastrophal überkompensierten und zappelligen Danpfvario und einem gewohnt schlechten LX5000 Vario. Und es war trotz der Handicaps einfach nur schön … schon erstaulich, wieviel Spaß man mit freiem Kopf und Freude haben kann, wenn man die kleinen Abenteuer der Fliegerei bewältigt.
Zauberwald und Landung in Bronkow
Für den Sonntag ist der Trainer mit Bianca angereist, um bei einem tollen Ausritt über den Zauberwald mit uns bis tief nach Polen vorzustoßen. Außerdem haben wir unseren Kumpel Bernd Goretzki getroffen und so hatten wir einen wunderbaren, blödelnden Tag im Funk. Wir haben faszinierende Eindrücke über dem größten, zusammenhängenden Waldgebiet Europas gesammelt. Aber zur speziellen Belustigung habe ich die Winglets von meiner Biene Maja weggelassen. Das Geläster war wunderbar. Abends habe ich mich dann in Bronkow – in der einfließenden Kaltluft – abgelegt. Wirklich ein Wahnsinnstag. Die beiden Turbo-Piloten haben mich dann zu einer wunderbaren Pizza sogar zurückgeholt.
Kulturprogramm in unserer Welt
Ritt durch die Kraftwerke
Am letzten Tag hat uns die Thermik nochmals wunderbar verwöhnt und so konnten wir alle 3 Ost-Kraftwerke – wie immer blödelnderweise – nutzen, während Bernd im Funk von seiner Sicht auf Prag schwärmte. Vielen Dank auch für den Kaffee, Bernd und Frauke. Und herzlichen Dank an die Funkes für die liebe Betreuung in Reinsdorf.
Disclaimer
Ich möchte hier niemanden zu einem teil Erlebnis- teil selbstbestimmten Fliegerurlaub überreden, sonst sind die schönen Gegenden bald von euch allen belegt 😉