Für einen deutschen Segelflieger, der nicht auf die südliche Hemisphäre flüchtet, klingt die Saison langsam aus. Deshalb versuche ich für mich mal einen mental-fliegerischen Jahresrückblick.

Das Jahr 2014 endete – 2015 begann bei mir mit Überlegungen, wie ich das Segelfliegen wieder so betreiben kann, dass es mir mehr Freude und Spaß bringt. Zwar spürte ich immer wieder den Drang ins Flugzeug zu steigen, jedoch blieb dabei immer mal wieder der Genuss auf der Strecke. Doch woran lag es? Ein für mich sehr hilfreicher Ansatz, war der von Gerrit Feige an mich herangetragene:

Nicht ergebnis- sondern erlebnisorientiert fliegen (und leben).

Klingt erst mal irgendwie esoterisch und wenig greifbar. Die Theorie dahinter, wenn man tolle Erlebnisse sammelt, steigern sich Spaß und Lockerheit, der Erfolg kommt dann automatisch – klingt irgendwie logisch! Dieser Spruch beschreibt – wie ich glaube – ganz gut die Situation, in der ich mich in den letzten Jahren selbst gefangen habe. Mein Ansporn war, immer irgendwie irgendwo gut oder gar

LS8, Welle im Harz

Welle im Harz

der Beste sein zu wollen. Meist völlig verkrampft im Cockpit zu sitzen, nur damit einem Abends Lob und Bewunderung zu Teil wird. Das Problem: Leider wurde dieses Verhalten relativ häufig, eben genau mit Lob belohnt, weil dabei trotzdem ein Erfolg im Sinne von Kennzahlen wie Kilometer oder Speed eintrat. Ein Kreislauf, der bei mir am Ende der Saison 2014 dazu führte, dass ich Flüge erlebte, während derer ich quasi keine Freude mehr für das Fliegen an sich empfand. Gefühlt schleppte ich einen (nicht Flächenbelastung-erhöhenden) Ballast mit mir herum.

Im Winter 2014/15 wurde mir diese selbstverstärkende Situation bewusst und ich entschied mich daran zu arbeiten. Für mich war die ausschlaggebende Erkenntnis, dass ich nicht für einen Verein oder ein Lob oder irgendjemanden oder irgendetwas außer mir selbst fliege. Vielleicht eine egoistisch klingende Aussage, aber ich hoffe doch, es dient bei euch allen der Freude und dem Spaß FÜR EUCH SELBST, wenn ihr in ein Flugzeug steigt. Für jemand anderes, lohnt es sich in meinen Augen nicht, das Risiko einzugehen, sich am Himmel fortzubewegen (zumindest als Freizeitsportler).

Das Resultat dieser Erkenntnis, gepaart mit einigen Übungsrunden, war, dass ich keinerlei Erwartungshaltung an die Reaktion anderer hatte. Keinen Wunsch nach Anerkennung, sondern die brutale Erkenntnis: Wenn ich nicht lerne für mich selbst mehr Freude beim Fliegen zu empfinden, ist Segelfliegen langfristig nicht der richtige Sport für mich.

In meinem Fall waren 3 Mechanismen sehr effektiv.

  1. Flüge vorzeitig zu beenden, nämlich, wenn ich keine Lust mehr hatte und nicht zwangsläufig, wenn die Thermik/der Hangwind aufhörte und das Flugende quasi fremdbestimmte.
  2. Bilder im Fluge machen.
  3. Im Nachhinein über für mich bewegende und/oder beeindruckende Flüge zu schreiben.

Anhand des ersten Mechanismus, steigerte ich meinen Spaß, indem ich mich im Cockpit nicht mehr quälte und damit automatisch meine Vorfreude auf den nächsten Flug steigerte. Durch das Schießen von Fotos, realisiert man die Situation, in der man sich dort befindet (über den Dingen im Lautlosen gleiten in technisch ausgereiften Maschinen im Einklang mit der Natur – WIE GEIL!), als ob man sich von außen in dieser tollen Situation beobachten kann. Das steigert die schnell verblasste Selbstreflektion, durch die vielen notwendigen Entscheidungen in einem Flug. Durch das Schreiben über die Erlebnisse, reflektiert man die Flüge und hat sogar noch eine Art Tagebuch, um auch nach Wochen nochmal in das tolle Gefühl unter den Wolken zurückzukehren. Außerdem bekommt man damit die ineinander verschwimmenden Erlebnisse der vielen Überlandflüge wieder getrennt und zugeordnet.

Die Folge dessen war eine völlige Abkehr von Erfolgen im Sinne von Kilometerzahlen und Schnittgeschwindigkeiten. Heute sind diese für mich verblasst zu einer Markierung toller Erlebnisse:

Das 1. Mal 1000

Arcus t - D_KARC - 1000km LSV Burgdorf - Frerk und Füppel

Das 2. Mal 1000

Frerk und Füppel nach 1100km im Arcus t - D-KABT

127er Schnitt im Februar

Wolkenstraße im Februar, LS8, Frerk

usw.

Der einzige Treiber, unter dessen Druck ich mich heute – nach einer Flugsaison Erprobung – in ein Segelflugzeug setze ist, weil ich Lust dazu habe. Ein bisschen wie vor 15 Jahren in der Ausbildung. Aber als Mann braucht man ja vielleicht auch ein paar Wehwehchen, um sich auf Trab zu halten. Wie mir scheint, befinde ich mich jetzt in der glücklichen Lage, mir etwas anderes zum Jammern suchen zu müssen.

 

Genießt die besinnliche Jahreszeit in Afrika, der Werkstatt, am Hang oder am Kamin. Man sieht sich!

Und denkt dran: erlebnis- und nicht ergebnisorientiert.

Frerk

 

Falls ihr Anregungen oder Feedback habt, freue ich mich:

frerk@finanzberatung-frommholz.de oder:

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Update 12.09.2015

Ich habe viele fröhliche und freundliche Rückmeldungen zu meinem kleinen Artikel erhalten. Herzlichen Dank dafür. Mir scheint ich bin nicht alleine mit meinen Gedanken. Sehr viele Segelflieger scheint das Thema „mehr Spaß beim Segelfliegen“ zu beschäftigen. Dazu hier ein poetischer und wirklich schöner Beitrag von Otto Voigt. Lest selbst:

 

„Ihr Bericht ist mir aufgefallen, da ich ähnliches schon erlebt und danach umgesetzt habe.

Mit 16 ständig im Segelflugzeug und auf dem Flugplatz gefiel sich mein Ego im Spiegel der Anerkennung meiner Klubkollegen durch meine ausserordentlichen Leistungen. Nach Jahren wieder mal an der Krete entlangfeilend, das letzte aus der Thermik herauspressend, nahm ich die winkenden Bergsteiger nur mit einem Auge wahr, keine Zeit für sowas!? Nach einigen Minuten und Kilometern weiter nahm ich die Fahrt zurück, das Pfeiffen verstummte und ich spührte die Ruhe, verlorene innere Ruhe. Ich flog zurück, grüsste die Bergmenschen mit schönen Überflügen und brach die Tagesaufgabe ab. Danach war alles anders, Kilometerjagd ade, kleine persöhnliche Ziele erwachten und die Freude war zurück. Später schaute ich herunter und wünschte mir barfuss in jene warmen Kuhfladen da unten auf der Alm zu treten anstatt die Welt durch die 3mm Plexiglas wie im Fernsehen zu betrachten. So wanderte ich mal auch gerne trotz

Bild von Otto

Bild von Otto

Hammertag und erfreute mich an den Geräuschen und Gerüchen der Natur. Als einer der Ersten sprang ich 1985 denn auch mit dem Gleitschirm vom Berg herunter, was die mühsamen Abstiege ersetzte und zudem meinem Flugdrang sehr entgegenkam. Vieles fand fortan Platz in meinem Leben, ein abenteuerlicher Segelflug im einem Föhnsturm, ein sportlicher Thermikflug mit dem wabbeldem Gleitschirm, eine Landung neben einer Berghütte für eine feine Pause oder mit dem Fallschirm im Freifall aus 4000m, auf der Luft liegend und mit ihr spielend, dem Erdmittelpunkt entgegen.Seit 45 Jahren in der Luft und die Freude daran ist geblieben.

herzlichst

Otto Voigt“

 

 

Update 21.09.2015

Vielen Dank auch Franz für seine Einsendung, der gern in unserem schönen Schleswig-Holstein das Fliegen genießt. Anbei seine Mail die ich dankenswerterweise veröffentlichen darf:

Moin!

Auf ganz anderem Wege und aus ganz anderen Gründen bin ich zum selben Ergebnis gekommen. Leider bin ich erst relativ spät (mit 21, eher wurde man damals nicht volljährig und mein alter Herr stand der Fliegerei äußerst ablehnend gegenüber) mit dem Fliegen angefangen. Ich habe auch immer mehr Arbeit, als Zeit gehabt. Ich war immer froh über jede Minute, die ich „oben“ verbringen konnte – es waren wenig genug. Nur sehr langsam habe ich mich daher an ernsthafte Streckenfliegerei und die Wettbewerbsfliegerei herangetastet. Mir ist dabei aber in jeder Phase die Schönheit des Fliegens bewusst gewesen und das war für mich auch seit dem ersten Start das Wesentliche. Sehr zum Leidwesen meiner Fluglehrer habe wohl die ersten 15 Starts mehr „aus dem Fenster geschaut“ als geflogen. Heute bin ich soweit, dass ich auf Strecke ein Teil der Luft bin (jaja, klingt auch was esotherisch und ist es wohl auch) und wenn ich mich bemühe schnell zu sein, dann deshalb, weil ich gern andere Gegenden sehen möchte (neugierig bin ich schon von Berufs wegen). Da komme ich aber nur hin, wenn ich schnell genug bin. So habe ich aus bloßer Freude am Fliegen in den Jahren meine besten Schnitte von grade mal 60 auf deutlich über 100 gesteigert. Schnell zu sein war mir dabei aber immer nur Mittel, nie Zweck. Bei meinem ersten Flug rund um Hamburg (370 Km FAI) habe ich mir erstmal ausgiebig Lübeck von oben angesehen – einfach wunderschön! Naja, über den Streckenschnitt brauchen wir nicht zu reden, war aber einer meiner schönsten Flüge. Ich fliege gern gut organisierte Wettbewerbe mit. Das ist für mich (lacht nicht!) eine sehr entspannte Art zu fliegen: Ich brauche mir weder Gedanken um die Aufgabe noch das Wetter zu machen. Rückholer sind auch immer in Mengen vorhanden. Damit wir uns richtig verstehen: Es würde mich nicht stören, zu gewinnen! Es ist aber nicht mein Hauptziel. Ich will so gut und so schön fliegen, wie es nur geht. Wenn ich deswegen mal vorn lande – besonders gut. Normalerweise habe ich aber gegen die „Berufssegelflieger“, wie Ihr es wart, keine Chance. Macht auch nichts. Ich habe nicht so viel Zeit, zu trainieren wie solche Leute – was soll ich da erwarten? Aber ich lerne dabei von den besseren Piloten und fliege dadurch selbst besser, was mir neue Erlebnishorizonte eröffnet. Es gibt Aufgaben, die ich immer meine Traumflüge nenne:

  • Rund um Hamburg (hab ich),
  • Ein 300er FAI nur in Schleswig-Holstein,
  • Einmal nach Norden bis Skagen und da am Strand landen,
  • Mit dem Segelflugzeug von Uetersen nach Schweden (ohne den Motor zu ziehen, versteht sich)

Wer mal bei hoher Basis und guter Sicht über Schleswig-Holstein geflogen ist, wird verstehen, warum das meine Fliegerträume sind: Im Westen die Nordsee mit den nordfriesischen Inseln, im Osten die Ostsee mit den dänischen Inseln. Ein unvergesslicher Anblick, den man sich möglichst bald wieder holen will! Das ist vom „Schönheitswert“ her allenfalls mit dem Hochgebirge zu vergleichen. Die üblichen Thermik-Renngebiete geben außer Speed nichts her. Ich habe mir diese Aufgaben vorgenommen um ihrer Schönheit willen. Niemand wird behaupten wollen, das seien einfache Aufgaben und ich werde die noch offenen erst angehen, wenn ich auch soweit bin. Um ehrlich zu sein: Ich bin mir ziemlich sicher, dass es bei mir für Schweden jetzt noch nicht reicht. Das wird noch ein, zwei Jahre dauern, selbst wenn alles gut läuft.

Grüezi

Franz

 

 

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