Niedersachsen geht Sonderweg

Eigentlich hätte man erwarten können, dass nach der Einigung der Bundesländer auf einen neuen Glücksspielstaatsvertrag etwas Ruhe an der Online-Casino-Front einkehrt. Dem ist nicht so. Niedersachsen sorgt mit seinem Vorgehen gegen Zahlungsdienstleister, die sich als Zahlungsabwickler für Online-Glücksspiele anbieten, erneut für Schlagzeilen.

Dabei sieht die jetzt erzielte Einigung künftig eine deutsche Lizenzvergabe für Online-Casinos vor – wenn auch frühestens ab Mitte 2021 bei Inkrafttreten des neuen Vertrags und sofern die Anbieter bestimmte Auflagen erfüllen. Bis dahin gilt noch der alte Glücksspielstaatsvertrag, der ein ausdrückliches Verbot für Online-Glücksspiele enthält.

Dieses Verbot wirkt schon heute absoluter als es in der Realität ist. Einige Casinos verfügen bereits über Lizenzen des Bundeslandes Schleswig-Holstein. Sie stammen aus einer Zeit, als Deutschlands nördlichstes Bundesland einen liberaleren Glücksspiel-Kurs verfolgte. Die Lizenznehmer dürfen in Schleswig-Holstein legal Online-Glücksspiele anbieten – allerdings auch nur dort.

Querschüsse trotz faktischer Duldung

Reichlich verworren und unklar ist die Rechtslage bei Online-Casinos mit gültigen Lizenzen aus einem EU-Land bzw. einem mit der EU eng verbundenen Land. Dazu zählen zum Beispiel casino.netbet.com, dessen Betreiber auf Malta sitzt, oder der Schweizer Anbieter casino777.ch. Diese Online-Casinos verfügen über gültige Lizenzen aus ihrem Heimatland, die nach EU-Recht anerkannt sind. Es bestehen erhebliche rechtliche Zweifel, ob das gleichzeitige deutsche Online-Glücksspielverbot EU-rechtskonform ist. Es stellt eine Wettbewerbseinschränkung dar und verletzt die EU-Freizügigkeit.

Aus diesem Grund werden bei uns solche Anbieter trotz offiziellem Verbot stillschweigend geduldet. EU-Mitglieder wie Zypern und Malta haben sich zu wahren Glücksspiel-Zentren in der EU entwickelt. Eindeutig verboten sind und bleiben weiterhin Anbieter mit Sitz außerhalb der EU. Dies trifft zum Beispiel Online-Casinos auf den Cayman Islands, den Bahamas oder auf Curacao. Hier besteht immer wieder der Verdacht von Geldwäsche und anderen illegalen Praktiken.

Die faktische Duldung bedeutet nicht, dass es von amtlicher Seite keine Versuche gibt, den Casino-Betreibern das Leben schwer zu machen. Notfalls durch die Hintertür. Dabei tut sich aktuell das Land Niedersachsen besonders hervor und schert in gewisser Weise aus dem mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag eingeschlagenen Weg der Legalisierung unter Auflagen aus. Dem Bundesland kommt dabei seine Rolle als Wächter über Zahlungsströme bei illegalen Glücksspielen zugute. Die Länder haben bei der Überwachung von Glücksspielen eine Arbeitsteilung vereinbart.

Verbote, Mahnungen und Warnungen

Online-Casinos sind für ihr Angebot auf elektronische Zahlungsabwicklung angewiesen. Das ergibt sich aus dem Geschäftsmodell des Online-Glücksspiels. Kein Online-Spiel ohne Einsatz von Geld „auf Distanz“ und die Möglichkeit, sich Gewinne entsprechend auszahlen zu lassen. Da die direkte Handhabe gegen Casino-Betreiber oft schwierig ist, nutzt man den Umweg über die Zahlungsabwickler.

Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatte Niedersachsen einem namentlich nicht genannten internationalen Zahlungsdienstleister die Zahlungsabwicklung für Online-Glücksspiele in Deutschland untersagt. Dem Vernehmen nach soll es sich um PayPal gehandelt haben. Anfang des Jahres folgte ein Brief an die deutschen Bankenverbände, der die Einhaltung des im bisherigen Glücksspielstaatsvertrag verankerten Mitwirkungsverbots durch die Mitgliedsinstitute anmahnte. Bei Zuwiderhandlung wurde mit Maßnahmen gedroht. Und jüngst teilte das zuständige niedersächsische Innenministerium mit, einen weiteren Zahlungsdienstleister „mit Sitz in London“ mit einem Zahlungsverbot belegt zu haben.

Hoffen auf Rechtssicherheit

Erfreut ist die Glücksspiel-Branche über solche „Querschüsse“ sicher nicht. Andererseits wurden bisher stets Mittel und Wege gefunden, der spielfreudigen Kundschaft doch den Zugang zu ermöglichen. Dennoch wird mancher Casino-Betreiber froh sein, wenn der neue Glücksspielstaatsvertrag endlich eine sichere rechtliche Grundlage für Angebote hierzulande schafft, der Klimmzüge überflüssig macht.

Bildmaterial: Manuela-Krause