„Zinsen bleiben ewig nahe Null“ | Mandantenbrief 08/19
Auch wenn im November EZB-Chef Mario Draghi den Stab an Christine Lagarde weitergibt, dürfte sich an der Politik der Euro-Notenbank wenig ändern. Die Fortsetzung des lockeren Geldkurses ist schon vorgezeichnet – nach der letzten EZB-Sitzung wurde sogar eine Wiederaufnahme der Anleihekäufe in Aussicht gestellt. Eine Zinswende scheint erst mal in weite Ferne gerückt, zumal die Fed gerade ebenfalls einen kleinen Zinsschritt nach unten gemacht hat – den ersten seit 11 Jahren. Insofern könnte das Zitat von Vermögensverwalter Bert Flossbach für viele Jahre gelten.
Was kaum jemand für möglich gehalten hat, bereits in den letzten Monaten ist es mit den Zinsen im Euro-Raum weiter deutlich abwärts gegangen. Die Rendite von Bundesanleihen mit 10jähriger Restlaufzeit lag am 31. Juli 2019 bei -0,43 Prozent – unter dem EZB-Einlagenzins und mehr als einen halben Prozentpunkt niedriger als noch zum Jahreswechsel -, bei dreijähriger Restlaufzeit waren es sogar -0,79 Prozent. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg rentieren bereits 85 Prozent der deutschen Staatsanleihen negativ.
Noch normal – 0,93% Rendite für 100jährige Anleihe?
Auch Anleihen anderer Euro-Länder weisen dank der fortgesetzten Geldschwemme Tiefstwerte bei den Renditen auf. 10jährige italienische Anleihen bieten gerade noch 1,63 Prozent p.a., weniger als US-Anleihen mit nachweislich höherer Bonität. Und selbst griechische Anleihen mit 10jähriger Restlaufzeit rentieren derzeit nur geringfügig über US-Bonds. Die klassischen Zusammenhänge von Rendite und Risiko scheinen außer Kraft gesetzt. Österreich hat zu Jahresbeginn eine Anleihe mit 100jähriger Laufzeit aufgelegt, mit einer aktuellen Rendite von gerade mal 0,93 Prozent.
Bei verzinslichen Bankeinlagen sind Negativzinsen nach wie vor die Ausnahme. Aber die Banken drehen weiter an der Gebührenschraube, das kostenlose Girokonto – einst weit verbreitet – muss man inzwischen suchen. Höhere Gebühren sind letztlich nichts anderes als Negativzinsen durch die Hintertür. Die nahezu am Nullpunkt angekommenen Zinssätze reichen auf jeden Fall nicht, um den realen Wertverlust durch die Inflation zu verhindern – selbst bei nach wie vor moderaten Inflationsraten von unter zwei Prozent. Das gilt auch für das immer noch beliebte Vorsorgeprodukt Lebensversicherung. Hier ist der Garantiezins inzwischen bei 0,9 Prozent angekommen, weitere Absenkungen nicht ausgeschlossen. An Überschüsse wagt sowieso kaum noch jemand zu denken.
Bisher kaum wahrgenommen – aber trotzdem real
Alleine in diesem Jahr wird der Kaufkraftverlust bei Bankeinlagen 54 Mrd. Euro betragen – ein Verlust, der zu den schon aufgelaufenen 358 Mrd. Euro seit der Öffnung der Geldschleusen im Zuge der Finanzkrise hinzukommt. Ein Ende dieser schleichenden Erosion ist nicht absehbar. Trotzdem ist es unter Deutschlands Sparern bislang erstaunlich ruhig geblieben. Das mag daran liegen, dass das Geld nominal weiter auf dem Konto erhalten bleibt. Der reale Kaufkraftverlust und der Verlust an Zinserträgen wird nicht so stark „gefühlt“ wie es bei Minus-Buchungen auf dem Konto wäre. Doch der Kapitalerhalt ist eine Illusion.
Rund 57 Millionen Sparer gibt es in Deutschland – keine andere Wählergruppe ist größer. Sollte diese „Masse“ erst einmal aufwachen, dann könnte es schnell ungemütlich im Land werden. Die Niedrigstzinsen mögen viel zur Stabilität in hochverschuldeten Euro-Staaten beitragen und öffentliche Haushalte entlasten. Die Enteignung der Sparer ist die Kehrseite und birgt umso mehr Sprengstoff, je länger sie dauert. Bisher deutet nicht viel darauf hin, dass man sich in der Politik darum sehr bekümmert.
Was bleibt als Renditemotor
Immerhin, kurz und mittelfristig haben die Zinssenkungen zusammen mit einigen Anpassungen in unserer Anleihequote für endlich wieder brauchbare Renditen gesorgt. Aber in dieser Situation des Anlagenotstandes bleibt eben wenig nützliches als Renditemotor übrig. Auch wenn uns immer mal wieder das Gefühl beschleicht, man sollte aussteigen, kommt dann die entscheidende Frage: Und dann? Dann durchdenkt man alle Alternativen und landet letztendlich wieder bei den guten, alten Ideen: Diversifizieren und darauf achten, dass das Renditekapital auch Zeit benötigt, um zu arbeiten, damit Verluste eben nicht realisiert werden müssen. Wir enden also, wie Sie es sich schon gedacht haben: Mit Ruhe und bedacht weiter investieren und diversifizieren und dabei nicht vergessen, das wunderbare Leben zu genießen.
Ihre,
Familie Frommholz
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